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Interview: Mit TRÄNEN Ängste überwinden

Die TRÄNEN könnten nicht nur eine Indiepunk-Band aus den 80ern sein, sondern liefern mit Haare eines Hundes ein zeitloses Debütalbum, indem sie klipp und klar ihre Meinung sagen.

Ich habe Steffen Israel und Gwen Dolyn auf dem Reeperbahnfestival getroffen und mit ihnen über das kommende Album gesprochen. Warum das Projekt TRÄNEN vielleicht etwas persönlicher ist als ihre anderen musikalischen Projekte und was der Mond mit alldem zu tun hat, das erfahrt ihr hier.

TRÄNEN Pressefoto "Haare eines Hundes"
Foto: Selena Hamers

Der Anfang von TRÄNEN


Ihr habt bis vor kurzem viel live gespielt, wart Vorband von Kraftklub in der Wuhlheide und hattet ein paar kleine Gigs. Wie war das für euch, mit eurem neuen Projekt direkt vor so vielen Menschen zu spielen?


Gwen: Meine größte Crowd waren davor 5.000 Menschen. (Anmerkung: In die Wuhlheide passen 17.000 Gäste.) Es ist cool auf der Bühne viel Resonanz zu haben - aber es ist eigentlich gar nicht so crazy, denn es fühlt sich sehr abstrakt an. Ich finde es leichter auf so einer großen Bühne zu spielen, weil man weniger Kontakt zu einzelnen Personen hat.


Steffen: Das war irgendwie absurd. Ich war als Support-Act auf jeden Fall aufgeregter als bei Kraftklub, weil alles noch nicht so sitzt und die Fehlerquellen noch größer sind. Aber wo war ich so krass aufgeregt? In Berlin?


Gwen: Das war in Berlin in einem Club, in den nur circa 120 Leuten hineingepasst haben. Es war, abgesehen von dem Diffus Konzert, das erste Konzert, was wir in der Bandkonstellation gespielt haben.


Gwen, du hast Steffen angesprochen und wolltest "Duell der Letzten" von Chaos Z covern. Dann ist dabei das Projekt TRÄNEN und ein Album herausgekommen. Hat der Song eine besondere Bedeutung für dich oder warum hast du den ausgewählt?


Gwen: Ich habe mit meinem Soloprojekt ein EA80 Cover von Dr. Murkes gemacht. Ich habe irgendwie eine Verbindung zu alter Punk-Musik und habe mit meinem damaligen Freund, der sich auch mit Punk auskennt, über "Duell der Letzten" gesprochen. Der Song ist mir mit der Zeit und dem Cover sehr ans Herz gewachsen, weil mir der Text sehr gefällt und ich da mit Steffen auch so ein eigenes Ding draus gemacht habe.


Und du kanntest den Song schon, Steffen?


Steffen: Ich kannte den Song nicht, aber fand ihn ziemlich stark. Der wirkt auf jeden Fall sehr zeitlos - auch der Text. Er hat eigentlich ziemlich Hitpotenzial, das haben auch viele andere Punk-Songs aus der Ära. Man muss bloß noch eine stampfende Basedrum reinmachen und vielleicht noch ein paar Synthesizer. Dann wird das ein richtiger Popsong - wollen die Punker vielleicht nicht zugeben, aber ist so. (beide lachen)


Inwiefern konntest du dich musikalisch bei dem Projekt ausprobieren - vielleicht auch in Abgrenzung zu deinen anderen Projekten?


Steffen: Es war irgendwie zwanglos. Wir wussten nicht, wie wir klingen wollten, deshalb haben wir einfach drauf los gespielt, ohne großartig nachzudenken. Eigentlich sollte es am Ende auch viel düsterer und wave-punkiger klingen. Wir hatten aber gar keine wirkliche Kontrolle, was am Ende dabei herauskommt, sondern haben einfach ohne Konzept die Songs geschrieben. Es hat aber gut geklappt, alles miteinander zu verbinden.


Gwen, wenn du einen Song schreibst, wer ist die erste Person, der du das zeigst?


Gwen: Also ich bin generell überhaupt nicht so, dass ich mir in frühen Stadien von Songs Feedback hole, weil mich das nur verunsichert. Ich zeige Songs am liebsten, wenn ich schon denke: Die sind jetzt schon in Form, die müsste man nur noch gut aufnehmen. Mit Steffen ist das das erste Mal, dass ich auch wirklich Ideen oder rough Sketches zeige, ohne dass es mir sehr unangenehm ist. Deswegen ist Steffen auf jeden Fall der erste Ansprechpartner.


Steffen: Aber zu Unrecht! Gwen hat schon Demos gehabt, wo sie sich sehr unsicher war. Aber die klangen schon ziemlich gut!


Haare eines Hundes bezieht sich ja auf das englische Sprichwort "you gotta drink the hair of the dog that bit you" - also seine Ängste zu überwinden. Habt ihr das mit dem Album vielleicht auch bei euch selber etwas getan?


Gwen: Ich versuche immer, mit meiner Musik etwas zu überwinden, indem ich unangenehme Sachen anspreche und versuche, die aus mir herauszubekommen.


Steffen: Ich bin jemand, der Sachen nicht unbedingt direkt anspricht und erstmal schaut, wie man das anders lösen kann. Das fand ich bei Gwen immer faszinierend, dass sie das so macht. Das ist für mich manchmal eine Herausforderung.


Gwen: Ja, aber du kannst es dann musikalisch auch ganz gut verpacken. Wenn ich etwas sage, dann kannst du das musikalisch gut ergänzen. Am Anfang dachtest du vielleicht öfter: "Das ist jetzt vielleicht ein bisschen arg." Aber das hat sich dann so gegeben. Im Albumprozess hast du dich daran gewöhnt, dass ich so spreche und auch dementsprechende Texte schreibe.



Kapitulation im übertragbaren Sinne


In "Stures dummes Herz" - singt ihr von dem Zwiespalt, in dem man ist, wenn Kopf und Herz etwas anderes sagen. Würdet ihr von euch sagen, dass ihr beim Musikmachen stur seid?


Steffen: Ich glaube jede*r, der Musik macht, ist stur - anders geht das gar nicht. Ich höre mir auch gerne Feedback an. Ich denke eine Idee erstmal ganz zu Ende, so: "Das habe ich - mehr kann ich nicht anbieten."


Gwen: Stimmt, du bist da viel gelassener als ich.


Steffen: Ich bin nicht immer so selbstüberzeugt. Ich freue mich dann über Feedback, weil ich die Erfahrung gemacht habe, dass ich mich auf mich selbst nicht immer verlassen kann. Manchmal macht man irgendwas, was man übelst krass gut findet. Und dann ein paar Monate später denkt man sich: “Das ist wirklich Schrott, was ich hier gemacht habe."


Deswegen bin ich immer froh, wenn es jemanden gibt, der sagt: "Das gefällt mir." In dem Projekt hier sind wir nur zu zweit, bei Kraftklub sind es immer ein paar mehr Stimmen und es kommt viel mehr Veränderung in diese Idee rein. TRÄNEN ist dann vielleicht auch ein bisschen persönlicher.


Gwen: Ich empfinde dich auch nicht als stur, du bist eigentlich sehr offen für Ideen und Anregungen.


Steffen: Das habe ich auch ein bisschen gelernt, dass die Ursprungsidee nicht immer die Beste ist, sondern, dass man auch durch einen anderen Input zu einem besseren Ziel kommen kann.


Muss ich mich für euch verbiegen / Nein / Muss ich mich für euch verzieren / Ständig für fremde Werte verlieren / Da wo Hass und Neid regier'n will ich nicht sein

TRÄNEN in "Kapitulation"


"Kapitulation" kann man auf die patriarchalisch geprägte Gesellschaft beziehen und dass man sich dem nicht beugen möchte. Wie ist der Song entstanden?


Gwen: Ich finde es gut, dass Leute das so hören, aber eigentlich ist es eher aus einer persönlichen Situation und weniger aus einem Gefühl zur Gesellschaft oder als Kommentar entstanden. Alle meine Songs entstehen tendenziell aus Gefühlen, die ich in Beziehungen zu anderen Menschen habe. “Kapitulation“ ist aus einem Beziehungskonflikt heraus entstanden - aus einer Wut und Unzufriedenheit. Das habe ich so in Worte verpackt, dass das übertragbar geworden ist.


Am Ende von "Kapitulation" kommt der Einspieler "Kind of light blonde hair, light brown hair.. and he had a mustache". Was hat es damit auf sich?


Gwen: Im Endeffekt wollten wir gerne einen Einspieler, der noch ein bisschen Leben und Intensität ans Ende des Songs bringt.


Steffen: Wir dachten, es wäre cool, wenn am Ende noch eine alte Radiosprecherstimme kommt - so wie aus einem alten Fernsehen, was man aus Filmen kennt. Der Einspieler war eigentlich erstmal ein Platzhalter. Wir haben ein paar Libraries durchsucht und der war davon der Beste. Dann war er beim Albumprozess die ganze Zeit drin und eigentlich war uns schon klar: Nie und nimmer werden wir den nochmal austauschen. Aber ursprünglich sollte da nochmal etwas Cooleres rein, vielleicht was selbst eingesprochenes. Irgendwann gewöhnt man sich da dran und es ist auch nicht mehr so wichtig.


Gwen: Ja, aber er hat auch gepasst. Es klingt so, als würde offenbart werden, um wen es geht. So könnte man es interpretieren. Oder wie eine Suchanzeige.



Die Verwandlung


Warum habt ihr euch entschieden, die Interlude "Vollmond" und "Neumond" zu nennen?


Gwen: Ich bin keine große Albenhörerin. Früher fand ich es richtig dumm, ein Konzeptalbum zu machen. Warum sich jetzt gezwungenermaßen irgendetwas zu einem Thema abringen, wenn ich mich eigentlich anders fühle oder intuitiv über andere Themen reden würde. Aber ich finde es trotzdem schön, wenn ich selbst was mache und das einen roten Faden hat. Steffen hat bei Kraftklub eine feste Richtung und ich habe mit meinem Soloprojekt auch eine gewisse Richtung, die ich automatisch einschlage.


Bei TRÄNEN geht es darum, dass wir versuchen einfach zu sein, wer wir eigentlich sind und die Musik so zu machen, wie sie eben kommt. Dabei geht es eben auch um Entwicklung und um Überwindung. Entwicklung hat mit Schmerz zu tun, mit inneren Dämonen - Haare eines Hundes hat auch ein bisschen Werwolf Bezug. Deswegen hatte ich die Idee, auch vom Artwork her den Zyklus und Mond drin zu haben.


Zudem geht es um Weiblichkeit und Männlichkeit - überhaupt um Gender und Verwandlung. Beim Album haben wir dann gesagt: Jetzt ist dieser Abschnitt, wo der Mond erst zunehmen muss und wo es um Entwicklung geht und dann fängt die Verwandlung an. Aber es gibt nicht wirklich eine Auflösung, der letzte Song bleibt trotzdem ein Fragezeichen.


TRÄNEN Pressefoto "Haare eines Hundes"
Foto: Selena Hamers

Euer letztes Lied "Was bleibt" endet mit dem Wort "Gefühl". Welche Gefühle habt ihr jetzt, wo das Album fertig ist?


Steffen: Zum einen ein gutes, dass man es endlich abgeben muss. Es gibt dann ja wirklich den Tag, wo man es abgeben muss, und dann kann man nichts mehr machen. Zum anderen war da doch immer zu wenig Zeit. Wenn es keine Deadline gibt, hört man nicht auf, an dem Album zu arbeiten. Es ist quasi auf dem Fließband und hinten geht gleich eine Tür zu und man ist so: "Ahh, kleb das noch schnell rein! Haben wir das noch draufgemalt und ist das und das noch drin?" Ich höre mir dann immer wieder fertige Songs an und hinterfrage alles. Aber die Erleichterung überwiegt schon, wenn es dann vorbei ist.


Gwen: Im Endeffekt ist es auch metaphorisch. Also es fühlt sich bei mir mit fast allem so an. Es gibt vielleicht zwei Momente in meinem Leben mit Kunstwerken, wo ich gesagt habe: Das ist jetzt fertig und genau so zeige ich das jetzt. Das war ein Bild, was ich mit 17 gemalt hab und den "Well Educated" Song, den ich in meinem Schlafzimmer aufgenommen habe. Ansonsten ist es immer so, dass es sich unfertig anfühlt und ich die ersten Male ein Cringe-Gefühl habe und denke, ich könnte es noch mal ganz anders machen.


Steffen: Es war auch nie ein Album geplant. Wir fingen mit dem Cover-Song an und dachten, wir machen einen Song. Nachdem das gut funktioniert und Spaß gemacht hat, dachten wir uns: Lass uns doch noch ein paar Songs machen. Dann hatten wir eine EP und jemand meinte: Warum macht ihr denn kein Album? Ein Album ist doch viel cooler - eine EP ist immer so: "Wir haben jetzt ein paar Ideen und hauen die jetzt als EP raus, mal gucken, ob es jemanden gefällt." Ein Album ist schon selbstbewusster. Aber ich bin mit dem Ergebnis sehr zufrieden.


Gwen: Ich auch!


 

Haare eines Hundes wird am 3. November via Eklat Tonträger veröffentlicht.

 

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