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Blond im Interview: "Irgendwann spielen wir beim Super Bowl"

Die Chemnitzer Formation Blond ist die Antithese zum männlichen Einheitsbrei der deutschen Musikszene. Kreativ, humorvoll und intelligent mischt das Trio aus Nina und Lotta Kummer und Johann Bonitz seit einigen Jahren die Indielandschaft auf - ohne dabei Halt vor Tabus zu machen.

Blond
Foto: Sarah Storch

Morgen erscheint ihr zweites Album Perlen, auf dem sie einmal mehr beweisen: Wut und Glamour, Stärke und Zerbrechlichkeit, Tanzfläche und Taschentuch schließen sich nicht aus. Ich habe mich aus diesem Anlass mit Lotta zum Interview getroffen. Herausgekommen ist ein Gespräch über Humor, Männer und den Traum vom Super Bowl.

 

Was hat sich denn für euch als Band von eurem letzten Album Martini Sprite zu Perlen verändert?


Als wir das erste Album gemacht haben, da war natürlich alles neu und man hat ganz viele Sachen zum ersten Mal gemacht. Das war sehr aufregend. Perlen haben wir in tiefsten Corona-Zeiten geschrieben. Als wir das dann abschließen konnten, da waren wir einfach selbstsicherer. Johann hat sich während der Pandemie das Produzieren beigebracht, deswegen konnten wir unsere Demos in Chemnitz schon sehr weit selbst vorbereiten. So sind wir dann mit viel fertigeren Ideen ins Studio gegangen als bei Martini Sprite. Deswegen hört man das soundmäßig auch ein bisschen raus.


Ja, das hört man! Eure Songs erwecken häufig vom Titel einen gewöhnlichen Eindruck – zum Beispiel "Mein Boy" oder "Du und ich". Dann wartet aber oft ein Twist auf die Hörer*innen, weil ihr die meist ernsten Themen immer irgendwie humorvoll umsetzt. Warum ist euch Humor wichtig?


Ich glaube, das hat mit unseren Persönlichkeiten zu tun. Humor ist unsere Art und Weise, mit Situationen umzugehen, die uns nicht gefallen, die uns belasten oder die wir unangenehm finden. Wir nutzen Humor im Alltag als Mechanismus, um Dingen zu verarbeiten, und so machen wir das dann auch in unserer Musik. Nicht in allen Songs, aber trotzdem mögen wir Humor als Stilmittel sehr gerne.



Ich bin nicht stolz drauf, aber ich habe mich schon selbst dabei ertappt, als ich positiv überrascht war, dass Männer euch auch gerne hören und unterhaltsam finden. In "Du musst dich nicht schämen" geht es genau darum. Ich persönlich verkneife mir oft Witze, weil ich denke, das findet sowieso niemand lustig. Was hat euch denn das Selbstbewusstsein gegeben, dass ihr dachtet, ja man, na klar kann ich auch als Frau witzig sein?


"Du musst dich nicht schämen" basiert auf einem Hate-Kommentar, den wir mal bekommen haben. In dem stand sinngemäß, Es ist übelst schlimm, wenn man euch hassen will, aber die Musik eigentlich voll cool findet. Das fanden wir witzig und hatten Bock, einen Song darüber zu schreiben. An sich gab es keinen Punkt, an dem wir gesagt haben "So, den Witz den mach ich jetzt aber!". Wir sind einfach schon immer so aufgewachsen, dass wir versucht haben, uns den Raum zu nehmen, der uns auch zusteht.


So sollte es auch sein. In "Toxic" singt ihr über toxische Männer. Darin kommen erzählte Ausschnitte vor, in denen verschiedene Parasiten als Metapher für sie verwendet werden. Die Parasiten kennt man aus eurem Podcast schon. Wie war der Entstehungsprozess von "Toxic"?


Als wir das im Podcast erzählt haben, war Nina schon in der Recherchephase zum Song. Sie fand das dann so spannend, dass wir auch im Podcast drüber gesprochen haben. Das ist einfach super interessant, weil es wirklich viele Parallelen zu toxischen Personen gibt. Man kann das komplett nachvollziehen, wie diese Verhaltensmuster von Parasiten sind und wie Menschen auf dieselbe Art manipulieren und Andere dazu bringen, Sachen zu machen, die sie eigentlich nicht machen würden. Deswegen fanden wir das einen interessanten Vergleich.


Mittlerweile seid ihr zu den weiblichen Vorbildern geworden, die ihr in "Durch die Nacht" beschreibt. Wenn ich das Schlagwort "Frauen in der Rockmusik" höre, denke ich sofort an euch – ich glaube, so geht es vielen anderen auch. Wie fühlt sich das für euch an?


Das fühlt sich richtig gut an. Ich merke das immer wieder, wenn ich junge Mädchen treffe, die sagen, sie spielen Schlagzeug, weil sie mich kennen und Fan davon sind. Das ehrt mich übelst und ich habe dann auch ein bisschen das Gefühl, alles zahlt sich aus: Man macht Musik nicht nur der Musik willen oder weil man möchte, dass sich Leute dazu bewegen können, sondern man erreicht etwas darüber hinaus. Das macht mich dann einfach unglaublich stolz.



In "Männer" thematisiert ihr, dass auf Festivals viel zu wenige FLINTA*-Personen auf der Bühne stehen. Ihr habt mittlerweile den Luxus, auf recht vielen Line-Ups zu finden zu sein. Wie entscheidet ihr, auf welchen Festivals ihr spielt oder nicht?


Das ist eine Frage, mit der wir uns sehr auseinandersetzen. Es gibt Festivals, die große Meilensteine für uns sind, da wollen wir unbedingt stattfinden. Aber wir wissen natürlich auch, dass es sein kann, dass wir uns da nicht wohlfühlen. Wir haben uns bei vielen jetzt dazu entschieden, trotzdem zu spielen, weil wir das für wichtig halten, dort stattzufinden.


Wäre auch blöd, wenn ihr wieder diejenigen seid, die den Kürzeren ziehen müssen, nur weil dort in der Vergangenheit ausschließlich Männer auf der Bühne standen.


Ja voll!


Eure Songs handeln immer von Themen, die euch im Alltag beschäftigen. Das sind natürlich andere als die Themen von reinen Männerbands, die aus einer privilegierteren Position schreiben. Macht ihr gerne Musik über Themen wie Sexismus, toxische Männer und überforderte Sims oder würdet ihr gerne auch über belanglosere Sachen singen?


Wie du sagst - wir schreiben keine Songs, weil das irgendeinen Zeitgeist trifft, sondern das ist einfach unser Umgang mit Situationen, die uns beschäftigen. Deswegen haben wir da keine Wahl. Wir brauchen das einfach, um gewisse Dinge zu verarbeiten. Ich habe jetzt selten den Gedanken gehabt, "ach, ich würde gern mal einen Friede-Freude-Eierkuchen-Song schreiben". Das könnte ich theoretisch ja auch einfach machen…


Wie weit seid ihr noch entfernt von einem "Alles ist geil"-Album?


Das ist eine schwierige Frage. Beim Song "Männer" haben wir im Schreibprozess auch gedacht, ob so ein Song denn überhaupt noch nötig ist. Wenn man die ganze Zeit in seiner eigenen Bubble unterwegs ist, denkt man, das Thema hängt den Leuten zum Hals raus. Dann haben wir den Song rausgebracht und gemerkt, dass das bitter nötig ist - vor allem, wenn man dann die ersten Festival-Ankündigungen gesehen hat. Deswegen sind wir sind schon noch sehr weit davon entfernt zu sagen, alles ist geil. Ich glaube, das ist leider noch sehr weit entfernt.



Wie groß ist denn euer Einfluss auf die Männerbands in eurem Familien- und Freundeskreis? Also glaubst du zum Beispiel, dass Kraftklub auch ohne euren Einfluss nur weibliche Support-Acts mit auf Tour nehmen würden?


Wir unterhalten uns natürlich sehr viel mit unserem Umfeld über die Themen und gleichzeitig wird das ja nicht nur von uns beeinflusst, sondern von Popkultur allgemein. Deswegen würde ich jetzt nicht sagen wollen, ich bin dafür verantwortlich, was andere Leute machen. Man kann immer nur hoffen, dass die männlichen Personen im Umfeld gut zuhören, die Perspektive nachvollziehen können und sich ihre eigenen Gedanken dazu machen. Aber wir wollen auch keine Zeigefinger-Band sein, die den anderen auf die Finger guckt. Wir machen das, was wir cool finden und können dann nur zuschauen, was der Rest macht.


Wenn man jetzt erfährt, dass Personen aus der Szene (Anm. der Redaktion: Marteria) gewalttätig gegenüber Frauen werden: Wie erhofft ihr euch, dass mit solchen Fällen in der Musikszene umgegangen wird?


Ich kann nur sagen, dass wir immer auf der Seite der Betroffenen stehen. Das hat man auch bei unserem Projekt zum Thema der sexualisierten Gewalt gemerkt: das ist nicht so wie "Da gilt erstmal die Unschuldsvermutung für alle". Ne, wir als Band stehen immer auf der Seite der Betroffenen und deswegen hoffen wir natürlich, dass da auch drüber gesprochen wird. Man kann solche Dinge nicht einfach totschweigen, es muss thematisiert werden. Wir hoffen natürlich auch, dass gewisse Medien oder Menschen sich selbst positionieren und dass man das nicht einfach unter den Teppich kehrt. Deswegen kann ich nur sagen: Solidarität mit allen Betroffenen sexualisierter Gewalt.


Im Herbst seid ihr dann auch wieder auf Tour zum Album. Was erwartet uns denn da?


Also – die Fans erwarten wieder Outfit-Changes, wir haben ein komplett neues Bühnenbild, neue Songs und die Dramaturgie ist natürlich auch neu. Es gibt wieder einen großen Blumenstrauß an Angeboten. Wir sind ja Freund*innen des Entertainments, deswegen kann man sich bei der neuen Show auch drauf freuen, dass man gut unterhalten wird.


Das glaub ich sofort! Wenn ihr mal so alle beschränkenden Faktoren außer Acht lassen würdet – Geld, Bühnengröße und so weiter. Wie würde eure Bühnenshow dann in eurer Traumvorstellung aussehen?


Wir sind generell Freunde davon, groß zu träumen. Deswegen sagen wir immer, irgendwann spielen wir bei der Super Bowl Half Time Show. Wir haben so viele Ideen, die wir gerne umsetzen würden, die teilweise logistisch so unrealistisch sind – und geldtechnisch sowieso.

Aber ja, wir hatten mal überlegt, dass die ganze Bühne eine Frisur mit einem Haar-Vorhang hat, und dann schwingen wir uns an geflochtenen Strähnen rein (lacht). Solche Ideen hatten wir schon mal. Zu dem Perlen- und Unterwasser-Kontext könnte man ja alles Mögliche machen, vom Wasserfall bis zu einem Aquarium... Wir stellen uns immer etwas Riesiges vor und gucken dann, was wir mit unseren Mitteln hinbekommen. Das macht das dann auch so ein bisschen aus. Quasi die Low-Budget-Version von der Super Bowl (lacht) - und irgendwann machen wir dann die richtige.


Genau! Ich glaube daran, irgendwann sehen wir euch da!

 

Perlen wurde am 21. April via Betonklunker veröffentlicht.

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