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Judi&Cocho sind "eigentlich ganz normal"

Schweben zwischen Selbstfindung und gesellschaftlichen Zwängen. Das Duo Judi&Cocho hat seine erste EP zusammengestellt und veröffentlicht sieben Tracks über ihre Erfahrungen mit dem Aufwachsen.

Foto: Michael Holzmann

Mit "Sie tanzt so gut" haben Julian und Hannes im September 2022 ihren ersten deutschsprachigen Song veröffentlicht. Ihre musikalische Karriere haben die beiden in einer Band begonnen, als Duo wagten sie sich dann an eigene Songs heran, zu Beginn mit englischen Indie-Pop.


"Mit den deutschen Texten sind wir noch mal ein ganzes Stück raus aus meiner Comfort-Zone gegangen – zwar fällt es mir wesentlich leichter, meine Gedanken und Gefühle in meiner Muttersprache auszudrücken, zugleich bedeutet es aber auch einen viel tieferen Einblick in unsere Persönlichkeit – unverblümt und ohne die Möglichkeit, sich hinter einer anderen Sprache zu verstecken."

- Julian über das deutsche Texten


Nach ein paar Single-Veröffentlichungen folgt nun ihre Debüt-EP. eigentlich ganz normal ist niedergeschriebenes Erwachsenwerden, vertontes Ausprobieren und Erfahrungen, die man sammeln muss. Jeder der Tracks hat seinen eigenen Sound, in dem Judi&Cocho versuchen ihren persönlichen Stil zu finden und festigen. Was die Songs verbindet, sind die Themen und die Atmosphäre schaffende raue Gesangsstimme, vergleichbar mit Henning May, Ennio oder Provinz.


Wachsen, aufwachsen, erwachsen


Erwachsenwerden ist rebellisch und wild sein, leichtsinnig, unbeschwert, spontan und frei.

Dazu gehört jedoch genauso Selbstfindung, Schmerz und Unsicherheit. Zwischen diesen beiden Polen bewegen sich die Songs der EP.


Sich selbst verlieren und in Anderen finden: "Reserviert" nimmt uns mit auf eine sommerliche Partynacht und eine unerfüllte Liebe. Beide Seiten sind dabei, sich zu finden, verlieren sich an diesem Abend jedoch in jemand anderem. Der erste Track der EP knüpft dabei an "Sie tanzt so gut" an: Feiern und temporäre Flirts werden über poppigen Gitarren und dem Signatur-Klavier besungen. Die Zweifel an sich Selbst und das Gefühl von Verlorenheit werden einfach weggetanzt - oder weggetrunken, wie im Video zu "Reserviert":



In anderen Tracks werden diese Verlorenheit und Zweifel dann aufgegriffen, sich eingestanden und angesprochen: "Trotzdem" ist ein atmosphärischer Klaviersong über eigene Entscheidungen und Erfahrungen und wie schwer das manchmal sein kann:


"Es hat mir nie jemand gezeigt, wie man glücklich lebt, seinen Weg geht und ich mach’s trotzdem!"

- Judi&Cocho in "Trotzdem"


Schwere in der Stimme und Gefühlschaos im Instrumental vertonen den Versuch, Halt zu finden. Aber niemand nimmt einen an die Hand und führt dich zu deinem Platz in der Gesellschaft. Diesen Platz zu finden, besingt "Einer": "Wenn ich nicht weiß, wer ich bin, wo soll ich dann dazugehören?" Judi&Cocho finden ihren Halt in der Musik.


Elektronischere Sphären


"Foto an der Wand" enthält die namengebende Hook "eigentlich ganz normal": Jede*r muss da durch, durch das Gewirr des Erwachsenwerdens und der Selbstständigkeit. Wie anstrengend und überfordernd das sein kann, wird in "Ich mach nix" aufgegriffen. Die beiden Songs sind elektronischer als der Rest, in letzterem entfällt sogar die Klavierstimme, die sonst so prägend heraussticht.


"Boomer Skit"

Mitten in der EP findet sich ein Track, der als Interlude fungiert. Er ist ein Einspieler eines Telefonats von Hannes mit Julians Mutter, die fragt, woher der Begriff "Boomer" kommt. Hannes konnte es nicht erklären, deshalb machen wir das kurz: "OK Boomer" ist eine Phrase, die verwendet wird, um sich über als stereotyp angesehene Ansichten der Baby-Boomer-Generation lustig zu machen. Danach gratulieren die beiden sich zu 420.000 Streams. Herzlichen Glückwunsch auch von uns, aber der Einschub stört leider ein bisschen die Welt, in die man in eigentlich ganz normal eintaucht.


Hoch und tief und mittendrin


Judi&Cocho sind Klavierpop mit musikalischen Ausflügen, geprägt von einer starken Stimme und klaren Texten, in die man sich als junger Mensch wiederfinden kann. Die sechs Songs bringen Selbstfindung auf den Punkt, die guten, wie die schlechten Seiten. Sie sind nachvollziehbar, geschickt verpackt, mal witzig, mal knallhart. So wie das Leben eben.

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